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Übereinkommen 102: Übereinkommen über die Mindestnormen der Sozialen Sicherheit, 1952
Dieses Übereinkommen ist am 27. April 1955 in Kraft getreten.
Beschlussfassung: ILO-Tagung 35, vom 28.6.1952
Die Allgemeine Konferenz der Internationalen Arbeitsorganisation,
die vom Verwaltungsrat des Internationalen Arbeitsamtes nach Genf
einberufen wurde und am 4. Juni 1952 zu ihrer fünfunddreißigsten Tagung
zusammengetreten ist,
hat beschlossen, verschiedene Anträge anzunehmen betreffend die
Mindestnormen der Sozialen Sicherheit, eine Frage, die zum fünften
Gegenstand ihrer Tagesordnung gehört, und
dabei bestimmt, daß diese Anträge die Form eines internationalen Übereinkommens erhalten sollen.
Die Konferenz nimmt heute, am 28. Juni 1952, das folgende
Übereinkommen an, das als Übereinkommen über Soziale Sicherheit
(Mindestnormen), 1952, bezeichnet wird.
....
Teil IV. Leistungen bei Arbeitslosigkeit
Artikel 19
Jedes Mitglied, für das dieser Teil des Übereinkommens
gilt, hat den geschützten Personen
Leistungen bei Arbeitslosigkeit nach den Bestimmungen der folgenden
Artikel dieses Teils zu
gewährleisten.
Artikel 20
Der gedeckte Fall hat den Verdienstentgang im Sinne der
innerstaatlichen Gesetzgebung zu
umfassen, der sich daraus ergibt, daß eine geschützte Person, welche
arbeitsfähig und arbeitsbereit ist,
keine zumutbare Beschäftigung zu erlangen vermag.
Artikel 21
Der Kreis der geschützten Personen hat zu umfassen
- vorgeschriebene Gruppen von Arbeitnehmern, die insgesamt
mindestens 50 vom Hundert aller
Arbeitnehmer bilden, oder
- alle Einwohner, deren Mittel während der Dauer des Falls
vorgeschriebene und den
Bestimmungen des Artikels 67 entsprechende Grenzen nicht
übersteigen, oder,
- wenn eine Erklärung nach Artikel 3 abgegeben worden
ist, vorgeschriebene Gruppen von
Arbeitnehmern, die insgesamt mindestens 50 vom Hundert aller
Arbeitnehmer in gewerblichen
Betrieben mit mindestens 20 beschäftigten Personen bilden.
Artikel 22
- Sind Gruppen von Arbeitnehmern geschützt, so hat die
Leistung in einer regelmäßig
wiederkehrenden Zahlung zu bestehen, die nach den Bestimmungen des
Artikels 65 oder des
Artikels 66 berechnet wird.
- Sind alle Einwohner geschützt, deren Mittel während der
Dauer des Falls vorgeschriebene
Grenzen nicht übersteigen, so hat die Leistung in einer regelmäßig
wiederkehrenden Zahlung zu
bestehen, die nach den Bestimmungen des Artikels 67 berechnet wird.
Artikel 23
Die in Artikel 22 bezeichnete Leistung ist im
gedeckten Fall mindestens den geschützten
Personen zu gewährleisten, die eine zur Vermeidung von Mißbräuchen als
notwendig erachtete
Wartezeit erfüllt haben.
Artikel 24
- Die in Artikel 22 bezeichnete Leistung ist während
der ganzen Dauer des Falls zu gewähren,
jedoch kann die Leistungsdauer begrenzt werden,
- wenn Gruppen von Arbeitnehmern geschützt sind, auf
13 Wochen innerhalb einer Zeitspanne
von 12 Monaten oder,
- wenn alle Einwohner geschützt sind, deren Mittel während
der Dauer des Falls vorgeschriebene
Grenzen nicht übersteigen, auf 26 Wochen innerhalb einer
Zeitspanne von 12 Monaten.
- Sieht die innerstaatliche Gesetzgebung eine Abstufung
der Leistungsdauer nach der
Beitragsdauer oder nach den vorher innerhalb einer vorgeschriebenen
Zeitspanne empfangenen
Leistungen vor, so gelten die Bedingungen in Absatz 1 a) als
erfüllt, wenn die durchschnittliche
Leistungsdauer mindestens 13 Wochen innerhalb einer Zeitspanne von
12 Monaten beträgt.
- Die Leistung kann während einer Karenzzeit, die in jedem
Falle des Verdienstentgangs auf
die ersten sieben Tage festgesetzt ist, unterbleiben, wobei die Tage
der Arbeitslosigkeit vor und nach
einer vorübergehenden Beschäftigung, die nicht länger als eine
vorgeschriebene Zeit dauert, als Teil
desselben Falls des Verdienstentgangs gelten.
- Für Saisonarbeiter können Leistungsdauer und Karenzzeit
den Beschäftigungsbedingungen
angepaßt werden.
[...]
Teil IX. Leistungen bei Invalidität
Artikel 53
Jedes Mitglied, für das dieser Teil des Übereinkommens gilt, hat den geschützten Personen
Leistungen bei Invalidität nach den Bestimmungen der folgenden Artikel dieses Teils zu gewährleisten.
Artikel 54
Der gedeckte Fall hat einen vorgeschriebenen Grad der Unfähigkeit zur Ausübung einer
Erwerbstätigkeit zu umfassen, sofern diese Unfähigkeit voraussichtlich dauernd ist oder nach Wegfall
des Krankengeldes weiterbesteht.
Artikel 55
Der Kreis der geschützten Personen hat zu umfassen
a) vorgeschriebene Gruppen von Arbeitnehmern, die insgesamt mindestens 50 vom Hundert aller
Arbeitnehmer bilden, oder
b) vorgeschriebene Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung, die insgesamt mindestens 20 vom
Hundert aller Einwohner bilden, oder
c) alle Einwohner, deren Mittel während der Dauer des Falls vorgeschriebene und den
Bestimmungen des Artikels 67 entsprechende Grenzen nicht übersteigen, oder,
d) wenn eine Erklärung nach Artikel 3 abgegeben worden ist, vorgeschriebene Gruppen von
Arbeitnehmern, die insgesamt mindestens 50 vom Hundert aller Arbeitnehmer in gewerblichen
Betrieben mit mindestens 20 beschäftigten Personen bilden.
Artikel 56
Die Leistung hat in einer regelmäßig wiederkehrenden Zahlung zu bestehen, die berechnet wird
a) nach den Bestimmungen des Artikels 65 oder des Artikels 66, wenn Gruppen von
Arbeitnehmern oder Gruppen der erwerbstätigen Bevölkerung geschützt sind,
b) nach den Bestimmungen des Artikels 67, wenn alle Einwohner geschützt sind, deren Mittel
während der Dauer des Falls vorgeschriebene Grenzen nicht übersteigen.
Artikel 57
1. Die in Artikel 56 bezeichnete Leistung ist im gedeckten Fall mindestens zu gewährleisten
a) einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine
Wartezeit erfüllt hat, die in einer Beitrags- oder Beschäftigungszeit von 15 Jahren oder einer
Wohnsitzzeit von 10 Jahren bestehen kann,
b) wenn grundsätzlich alle erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, die
eine Wartezeit von 3 Beitragsjahren erfüllt hat und für die während ihres Arbeitslebens eine
vorgeschriebene jährliche Durchschnittszahl von Beiträgen entrichtet worden ist.
2. Hängt die in Absatz 1 bezeichnete Leistung von einer Mindestbeitrags- oder
Mindestbeschäftigungszeit ab, so ist eine gekürzte Leistung mindestens zu gewährleisten
a) einer geschützten Person, die vor Eintritt des Falls nach vorgeschriebener Regelung eine
Wartezeit von 5 Beitrags- oder Beschäftigungsjahren erfüllt hat,
b) wenn grundsätzlich alle erwerbstätigen Personen geschützt sind, einer geschützten Person, die
eine Wartezeit von 3 Beitragsjahren erfüllt hat und für die während ihres Arbeitslebens die
Hälfte einer vorgeschriebenen jährlichen Durchschnittszahl von Beiträgen nach den
Bestimmungen von Absatz 1 b) dieses Artikels entrichtet worden ist.
3. Die Bedingungen in Absatz 1 dieses Artikels gelten als erfüllt, wenn eine Leistung, die nach
den Bestimmungen des Teils XI berechnet ist, jedoch um 10 Einheiten unter dem in der Tabelle zu
Teil XI für den Typus des Leistungsempfängers angegebenen Hundertsatz liegt, mindestens jeder
geschützten Person gewährleistet wird, die nach vorgeschriebener Regelung 5 Beitrags- oder
Beschäftigungsjahre oder 5 Wohnsitzjahre zurückgelegt hat.
4. Der in der Tabelle zu Teil XI angegebene Hundertsatz kann im entsprechenden Verhältnis
gekürzt werden, wenn die Wartezeit für die dem gekürzten Hundertsatz entsprechende Leistung
5 Beitrags- oder Beschäftigungsjahre übersteigt, jedoch geringer als 15 Beitrags- oder
Beschäftigungsjahre ist. Eine gekürzte Leistung ist nach Absatz 2 dieses Artikels zu gewähren.
Artikel 58
Die in den Artikeln 56 und 57 bezeichneten Leistungen sind während der ganzen Dauer des
Falls zu gewähren oder so lange, bis sie durch eine Leistung bei Alter ersetzt werden.
[...]
Artikel 66
-
Bei einer regelmäßig wiederkehrenden Zahlung, auf welche dieser Artikel Anwendung
findet, ist der Leistungsbetrag, erhöht um den Betrag der während der Dauer des Falls zu zahlenden
Familienzulagen, wie folgt zu bemessen. Er hat für den betreffenden Fall und den in der Tabelle zu
diesem Teil bezeichneten Typus des Leistungsempfängers mindestens den in der Tabelle vorgesehenen
Hundertsatz der Gesamtsumme aus dem Lohn eines gewöhnlichen erwachsenen männlichen ungelernten
Arbeiters und dem Betrag der Familienzulagen zu erreichen, die einer geschützten Person mit gleichen
Familienlasten, wie sie der Typus des Leistungsempfängers hat, zu zahlen sind.
-
Der Lohn des gewöhnlichen erwachsenen männlichen ungelernten Arbeiters, die Leistung
und die Familienzulagen sind auf derselben zeitlichen Grundlage zu berechnen.
-
Für die übrigen Leistungsempfänger hat die Leistung in einem angemessenen Verhältnis zu
der des Typus des Leistungsempfängers zu stehen.
-
Im Sinne dieses Artikels hat als gewöhnlicher erwachsener männlicher ungelernter Arbeiter
zu gelten
a) der Typus des ungelernten Arbeiters in der Maschinenbauindustrie mit Ausnahme der
Elektromaschinenindustrie oder
b) der Typus des ungelernten Arbeiters nach den Bestimmungen des nachstehenden Absatzes.
-
Als Typus des ungelernten Arbeiters im Sinne von b) des vorstehenden Absatzes hat eine
Person zu gelten, die in der Hauptgruppe mit der größten Zahl für den betreffenden Fall geschützter
erwerbstätiger männlicher Personen oder von Unterhaltspflichtigen der geschützten Personen innerhalb
der Abteilung beschäftigt ist, die ihrerseits die größte Zahl solcher Personen oder Unterhaltspflichtiger
umfaßt; hierfür wird die Internationale Systematik der wirtschaftlichen Tätigkeiten zugrunde gelegt,
die vom Wirtschafts- und Sozialrat der Organisation der Vereinten Nationen auf seiner siebenten
Tagung am 27. August 1948 angenommen wurde und im Anhang zu diesem Übereinkommen
wiedergegeben ist, unter Berücksichtigung aller späteren Änderungen.
-
Haben die Leistungen eine nach Gebieten unterschiedliche Höhe, so kann der gewöhnliche
erwachsene männliche ungelernte Arbeiter nach den Bestimmungen der Absätze 4 und 5 dieses Artikels
für jedes Gebiet bestimmt werden.
Tabelle zu Teil XI. Regelmäßig wiederkehrende Zahlungen an die Typen der Leistungsempfänger
Teil
|
Fall
|
Typus des Leistungsempfängers
|
Hundertsatz
|
III
|
Krankheit
|
Mann mit Ehefrau und 2 Kindern
|
45
|
IV
|
Arbeitslosigkeit
|
Mann mit Ehefrau und 2 Kindern
|
45
|
V
|
Alter
|
Mann mit Ehefrau im Rentenalter
|
40
|
VI
|
Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten:
Arbeitsunfähigkeit
Erwerbsunfähigkeit
Hinterbliebene
|
Mann mit Ehefrau und 2 Kindern
Mann mit Ehefrau und 2 Kindern
Witwe mit 2 Kindern
|
50
50
40
|
VIII
|
Mutterschaft
|
Frau
|
45
|
IX
|
Invalidität
|
Mann mit Ehefrau und 2 Kindern
|
40
|
X
|
Hinterbliebene
|
Witwe mit 2 Kindern
|
40
|
-
Der Lohn des gewöhnlichen erwachsenen männlichen ungelernten Arbeiters ist auf der
Grundlage der Lohnsätze für die durch Gesamtarbeitsverträge oder gegebenenfalls von oder auf Grund
der innerstaatlichen Gesetzgebung oder durch Gewohnheit festgelegte normale Arbeitszeit zu ermitteln
unter Einbeziehung etwaiger Teuerungszulagen; haben diese Lohnsätze eine nach Gebieten
unterschiedliche Höhe und findet Absatz 6 dieses Artikels keine Anwendung, so ist der mittlere Lohn
zugrunde zu legen.
-
Die Beträge der laufenden regelmäßig wiederkehrenden Zahlungen bei Alter, bei
Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten (mit Ausnahme derjenigen bei Arbeitsunfähigkeit), bei Invalidität
und bei Tod des Unterhaltspflichtigen sind nach namhaften Änderungen in der allgemeinen
Verdiensthöhe, die sich aus namhaften Änderungen in den Lebenshaltungskosten ergeben, zu
überprüfen.
Artikel 67
Bei einer regelmäßig wiederkehrenden Zahlung, auf welche dieser Artikel Anwendung findet,
gilt folgendes:
-
Der Leistungsbetrag ist entsprechend einer vorgeschriebenen Skala oder entsprechend einer von
der zuständigen Stelle nach vorgeschriebener Regelung festgelegten Skala zu berechnen.
-
Der Leistungsbetrag kann nur insoweit gekürzt werden, als die sonstigen Mittel der Familie des
Leistungsempfängers vorgeschriebene namhafte Beträge oder von der zuständigen Stelle nach
vorgeschriebener Regelung festgelegte namhafte Beträge übersteigen.
-
Die Gesamtsumme aus der Leistung und den sonstigen Mitteln nach Abzug der in b)
bezeichneten namhaften Beträge hat auszureichen, um der Familie des Leistungsempfängers
gesunde und angemessene Lebensbedingungen zu gewährleisten; sie darf nicht unter der nach
den Bestimmungen des Artikels 66 berechneten Leistung liegen.
-
Die Bedingungen in c) haben als erfüllt zu gelten, wenn der Gesamtbetrag der nach dem
betreffenden Teil gewährten Leistungen um mindestens 30 vom Hundert höher ist als der
Gesamtbetrag der Leistungen, der bei Anwendung der Bestimmungen des Artikels 66 und der
nachstehenden Bestimmungen erreicht würde:
i) Artikel 15 b) für Teil III,
ii) Artikel 27 b) für Teil V,
iii) Artikel 55 b) für Teil IX,
iv) Artikel 61 b) für Teil X.
[...]
Artikel 87
Der französische und der englische Wortlaut dieses Übereinkommens sind
in gleicher Weise maßgebend.
Voller Text der deutschen Fassung: https://www.ilo.org/ilolex/german/docs/gc102.htm
[Der deutsche Text ist lediglich eine zusätzliche Übersetzung.
Das
englische Orginal, das in internationalen Klagen zu verwenden ist,
finden Sie daher hier: https://www.ilo.org/ilolex/cgi-lex/convde.pl?C102
]
Impressum
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