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Antwort der Arbeiterkammer Wien auf aktuelle RechtsfragenBetreff: Ihre Anfrage Sehr geehrter Herr Mag. Ing. Mair! Zu Ihrem umfangreichen Fragenkomplex betreffend Wiedereingliederungsmaßnahmen/Arbeitstraining/Arbeitserprobung sowie betreffend Gemeinnützige Personalüberlasser verweisen wir auf den Artikel „Neue Zumutbarkeitsbestimmungen für Arbeitslose ab 1.1.2008“ von Jutta Keul/Günter Krapf DRdA 1/2009, der alle diesbezüglichen offenen Rechtsfragen kritisch beleuchtet und auch eine umfassende Auflistung der weiterhin relevanten Judikatur enthält. Den Artikel finden Sie im Anhang. Da zum Großteil der mit der Novelle BGBl I 2007/104 eingeführten Neuerungen iZm den Zumutbarkeitsbestimmungen des AlVG noch keine Judikatur des Verwaltungsgerichtshofs ergangen ist, ist eine rechtlich verbindliche Beurteilung der von Ihnen gestellten Fragen derzeit nicht möglich. Zur Frage der zulässigen Dauer von AMS-Maßnahmen wird nur eine Einzelfallbetrachtung die jeweils richtige Antwort geben können. Auf Seite des AMS wird dabei die primäre Vorgabe Arbeitsuchenden Arbeit zu vermitteln zu beachten sein, weiters wird eine Zuweisung von Maßnahmen nur dann vorzunehmen sein, wenn eine Vermittlung auf dem Arbeitsmarkt mit den bisherigen Kenntnissen und Fähigkeiten nicht möglich ist (vgl die ständige Rspr des VwGH, zB 1998/08/0284 vom 23.4.2003). Beim Maßnahmeneinsatz sind seitens des AMS jedenfalls auch die Grundsätze von Sparsamkeit, Wirtschaftlichkeit und Zweckmäßigkeit einzuhalten. Trotz der rechtlichen Möglichkeit des Unterbleibens der Begründung von Maßnahmenzu-weisung gemäß § 9 Abs 8 AlVG, muss diese Zuweisungsbegründung auf konkrete Nach-frage des/der Betroffenen dennoch erfolgen, da durch die Nachfrage nicht mehr davon ausgegangen werden darf, dass die Gründe für die Maßnahmenzuweisung dem/der Betroffenen bekannt sind. Mit den Konsequenzen der Verweigerung der Unterschrift auf Formularen hat sich der VwGH im Judikat 2005/08/0027 vom 28.6.2005 beschäftigt. Eine Vereitelung wird nur dann anzunehmen sein, wenn das konkrete Formular für den Maßnahmenerfolg unerlässlich ist, wobei eine diesbezügliche Begründungspflicht seitens des AMS besteht. Zu Fragen iZm der Mindestsicherung können wir Ihnen keine rechtlichen Auskünfte geben. Dürfen BBEs die „Arbeitswilligkeit“ überprüfen? Da Arbeitsuchende gemäß § 9 AlVG die Verpflichtung trifft, auch von jeder „sonst sich bietenden Arbeitsmöglichkeit“ Gebrauch zu machen, wird die Weitergabe der Information seitens einer BBE an das AMS, dass ein konkretes (zumutbares) Stellenangebot ausgeschlagen wurde, zulässig sein. Die rechtliche Beurteilung der Arbeitswilligkeit obliegt dann in Folge allerdings dem AMS. Gemeinnützige Personalüberlasser – Umgehung des AÜG: § 1 Abs 2 Z 6 AÜG nimmt das Überlassen von Arbeitskräften „im Rahmen sozialer Dienste“ öffentlicher oder öffentlich geförderter Einrichtungen vom Geltungsbereich des AÜG aus. Nach den EB ist die Formulierung „im Rahmen sozialer Dienste“ umfassend zu verstehen. Hierdurch wird eine möglichst extensive Auslegung nahegelegt (Geppert, AÜG, Manzverlag, ad § 1). Eine Umgehung von Bestimmungen des AÜG durch einen itworks Vertrag ist daher nicht möglich. Die Grenze der Zulässigkeit der Verweigerung der Unterschrift bezüglich Zustimmung zur Datenverwendung wird sich – in Anlehnung an das bereits angeführte VwGH Judikat 2005/08/0027 vom 28.6.2005 – wohl daran orientieren müssen, ob diese Daten zur Ermöglichung einer Überlassung unerlässlich sind oder nicht. Auch hier sollte eine diesbezügliche Begründungspflicht seitens des AMS bestehen. Für den Auftrag Eigeninitiative durch eine bestimmte Anzahl von Bewerbungen pro Woche zu erbringen und zu beweisen, ist gesetzlich gemäß § 9 Abs 1 AlVG keine bestimmte Form vorgesehen. § 38c 2. Satz AMSG normiert allerdings ausdrücklich, dass im Betreuungsplan insbesondere auf die gemäß § 9 Abs 1 bis 3 AlVG Gesichtspunkte Bedacht zu nehmen ist. Die Vorschreibung konkreter Vorgaben betreffend des geforderten Nachweis‘ von Eigeninitiative im Betreuungsplan ist daher zulässig. „Jobreadyness“ laut Betreuungsplan („sie können sofort eine Arbeit aufnehmen….“) schließt auch unserer Meinung nach die Zuweisung in eine Wiedereingliederungsmaßnahme unter Sanktionsdrohung aus. Die Stellenvermittlung hat immer Vorrang und das Fehlen von Fähigkeiten und Kenntnissen ohne die kein Zugang zum Arbeitsmarkt besteht, ist Voraus-setzung für eine Maßnahmenzuweisung, die diese Vermittlungshindernisse beseitigen soll. Unter Zuhilfenahme welcher technischer Hilfsmittel eine Kontaktaufnahme seitens des AMS bzw seitens potentieller Arbeitgeber mit Arbeitsuchenden erfolgen kann und soll, ist mit dem AMS Berater zu vereinbaren. Wenn eine Kontaktaufnahme per Handy (Telefonat oder SMS) oder Email nicht erwünscht ist, sollte dies dem AMS bekannt gegeben werden bzw eine Streichung des Satzes „Sie reagieren auf Anrufe oder Emails von Unternehmen, die direkt mit Ihnen in Kontakt treten“ im Betreuungsplan verlangt werden. Ohne Widerspruch gegen diesen Satz wird das AMS wohl von der Zustimmung des/der Arbeits-losen ausgehen können. Eine Verhandlung gemäß § 39 Abs 2 AVG kann von einer Behörde im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens durchgeführt werden. Die Parteien haben nach dem AVG keinen Rechtsanspruch auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung (VwGH 28.1.1971, 6659; 9.12.1975m 1825/75). Das Erstellen eines Betreuungsplans bedarf daher keine speziellen Ladung des/der Arbeitsuchenden. Gesetzlich ist keine bestimmt Form der Zuweisung in eine AMS-Maßnahme vorgesehen, dh dass auch mündliche Zuweisungen zulässig sind. Aus Beweisgründen wird allerdings seitens des AMS idR die Schriftform gewählt. Die Rüge allfällige Mängel der Zuweisung können im Zuge eines Berufungsverfahrens erfolgen, falls eine Leistungssperre verhängt wurde. Inhalt eines Bescheides ist die normative Regelung einer Verwaltungssache. Die Zuweisung in eine Maßnahme in schriftlicher Bescheidform zu verlangen, widerspricht somit der inhaltlichen Zielsetzung von Bescheiden und ist daher nicht zulässig. Das AVG sieht nur in zwei Fällen zwingend die Aufnahme einer förmlichen Niederschrift vor, über Verlauf und Inhalt mündlicher Verhandlungen (§ 44 Abs 1 AVG) sowie über Inhalt und Verkündung eines mündlich erlassenen Bescheides (§ 62 Abs 2 AVG). Im Übrigen kann die Behörde über alle Verfahrenshandlungen, die unter Zuziehung von Beteiligten vorgenommen wurden, eine Niederschrift aufnehmen, was dann zweckmäßig sein wird, wenn es aus Gründen der Beweisbarkeit geboten sein wird. Eine den Bestimmungen des § 14 AVG entsprechend aufgenommene Niederschrift liefert – sofern nicht Einwendungen erhoben wurden – vollen Beweis über den Verlauf und den Gegenstand der betreffenden Amtshandlung. Eine Auflage besteht in der Normierung einer Verpflichtung des Adressaten neben der im Hauptinhalt eines Bescheides erteilten Genehmigung (Erlaubnis) für den Fall, dass er von dieser Gebrauch macht. Der Auftrag des AMS, in welchem Umfang und in welchem Zeitraum Eigeninitiative zu erbringen und zu beweisen ist, konkretisiert eine gesetzliche Verpflichtung Arbeitsuchender (§ 9 Abs 1 AlVG) und wird lediglich aus Beweisgründen in Form einer Niederschrift festgehalten. Um eine Auflage im rechtlichen Sinn handelt es sich dabei nicht. Das von ihnen zitierte Erkenntnis des VwGH 2009/08/0113 vom 20.10.2010 ist ein höchstgerichtliches Erkenntnis, das innerstaatlich keinem weiteren Rechtsmittel unterliegt. Lediglich bei Einbringung einer VfGH-Beschwerde kann – für den Fall der Ablehnung der Beschwerde durch den VfGH – die Abtretung der Beschwerde an den VwGH beantragt werden. Es steht allenfalls die Rechtsmittelinstanz des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) offen, wobei unserer Erfahrung nach, dieser die Behandlung einer diesbezüglichen Beschwerde ablehnt, wenn nicht zuvor bereits innerstaatlich der VfGH mit der Angelegenheit betraut worden ist. Nach dem eindeutigen Wortlaut des von Ihnen genannten Erkenntnisses VwGH 2009/08/0113 vom 20.10.2010 besteht während der Dauer einer vorläufigen Leistungseinstellung weiterhin die Verpflichtung eine zugewiesene, zumutbare Beschäftigung anzunehmen. („Dadurch, dass die Leistung - im Hinblick auf die Prüfung eines Tatbestandes nach § 10 AlVG - ab 8. Oktober 2008 vorläufig eingestellt wurde, war der Beschwerdeführer aber nicht von seiner Verpflichtung entbunden, eine zugewiesene, zumutbare Beschäftigung anzunehmen -vgl. auch das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2007/08/0231“). Zum Fragenkomplex unspezifische Zuweisung zu Arbeitsverhältnissen in SÖBS verweisen wir nochmals auf den eingangs erwähnten Artikel von Keul/Krapf im DRdA 1/2009 [Download als PDF-Dokument]. Wir hoffen, Ihnen mit diesen Antworten bei der Erstellung Ihrer Rechtshilfebroschüre behilflich gewesen zu sein. Mit freundlichen Grüßen Ihre AK Wien - Abteilung Arbeitsmarkt und Integration
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