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Medizinische Untersuchungen müssen verhältnismässig sein - Schutz durch Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK)
Gerichtstyp VwGH Erkenntnis NormAlVG 1977 §8 Abs2; MRK Art8 Abs2; MRK Art8; RechtssatzArt. 8 EMRK schützt u.a. den Grundrechtsträger in seinem Recht, selbst über den eigenen Körper zu bestimmen. Schutzgut ist die physische und psychische Integrität des Einzelnen (Hinweis Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention, 205 RNr 7 mwH). In dieses Recht wird eingegriffen, wenn der Gesetzgeber ärztliche Untersuchungen mit Zwang anordnet und durchführen lässt, auch wenn die körperliche Beeinträchtigung im Einzelfall gering sein mag (Hinweis Grabenwarter, aaO, 217, RNr. 22 mwH; Hinweis E 19.12.2001, 98/12/0139, Pkt. 3.2.5. zu den Grundrechtsschranken der Erteilung einer Weisung an einen Beamten, sich gemäß § 51 Abs. 2 Satz 2 iVm § 52 Abs. 2 BDG 1979 einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen).(Hier: Die unter die Sanktion des Verlustes des Leistungsanspruches gestellte Verpflichtung von Arbeitslosen, sich gegebenenfalls zur Feststellung ihrer Arbeitsfähigkeit einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen, muss daher den Eingriffskriterien des Art. 8 Abs. 2 EMRK entsprechen, dh. einem in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziel dienen, zur Erreichung dieses Ziels geeignet und verhältnismäßig sein.) Dokumentnummer JWR/2003080271/20041020X02 Gerichtstyp VwGH Erkenntnis RechtssatzDer VwGH geht davon aus, dass die Feststellung des Vorliegens von Arbeitsfähigkeit im Zusammenhang mit den Voraussetzungen für die Gewährung von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung ein unter dem Gesichtspunkt des Art. 8 Abs. 2 EMRK zulässiges Ziel ist, welches mit der im Gesetz normierten Verpflichtung des Leistungsbeziehers, sich einer medizinischen Untersuchung zu unterziehen, verfolgt werden darf. Die Anordnung einer medizinischen Untersuchung durch Bedienstete des AMS gegen den Willen der Partei ist daher nur insoweit rechtmäßig, als auf Grund von bestimmten Tatsachen der Verdacht besteht, dass Arbeitsfähigkeit nicht (mehr) vorliegt. Weiters hat eine Zuweisung zur Untersuchung (vorerst) nur an einen Arzt für Allgemeinmedizin zu erfolgen. Soweit dieser die Frage der Arbeitsfähigkeit nicht abschließend zu beurteilen vermag, wäre es seine Sache, darzutun, dass und welche weiteren Untersuchungen durch Fachärzte zur Abklärung des Leidenszustandes aus medizinischer Sicht erforderlich sind. Dies gilt auch für die Zuweisung zu einem Facharzt aus dem Fachgebiet der Psychiatrie und Neurologie. Sie ist nur zulässig, wenn: entweder der zunächst heranzuziehende Gutachter sie auf Grund des von ihm erhobenen Befundes für erforderlich erachtet oder die Partei (der/die Arbeitslose) ihr nachweislich zustimmt. Die Partei ist aber in jedem Fall über die Gründe für eine Zuweisung zu einer Untersuchung zu unterrichten, dazu zu hören und über die Sanktion für den Fall der Verweigerung der Untersuchung zu belehren. Dokumentnummer JWR/2003080271/20041020X03 Gerichtstyp VwGH Erkenntnis NormAlVG 1977 §8 Abs2; MRK Art8 Abs2; RechtssatzZur Wahrung der Verhältnismäßigkeit (iSd Art. 8 Abs. 2 EMRK) der auf § 8 Abs. 2 AlVG gestützten Anordnung einer medizinischen Untersuchung gegen den Willen der betroffenen Partei darf die Prüfung, ob überhaupt und bejahendenfalls welche medizinischen Untersuchungen erforderlich sind, grundsätzlich nicht von betreuenden Bediensteten des AMS vorgenommen werden, da diese medizinisch nicht fachkundig sind und daher die Gefahr besteht, dass Untersuchungen angeordnet werden, die entweder überflüssig oder angesichts der zu beantwortenden medizinischen Fachfrage unter Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Untersuchungs- und Diagnosemethoden unverhältnismäßig sind. (Hier: Zuweisung einer Leistungsbezieherin zu einem Facharzt für Psychiatrie und Neurologie) Dokumentnummer JWR/2003080271/20041020X04
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