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Steuerfreie Sozialleistungen wie das Kinderbetreungsgeld müssen nicht dem AMS bekanntgegeben werdenRechtssatznummer: 2 Geschäftszahl: 2005/08/0100 Entscheidungsdatum: 21.12.2005 Norm AlVG 1977 §25 Abs1; RechtssatzEs kann weder auf Grund der Gestaltung des Antragsformulars noch auf Grund der Rechtslage davon die Rede sein, dass eine Verpflichtung zur Bekanntgabe einer steuerfreien Sozialleistung, wie z.B. des Kinderbetreuungsgeldes beim Angehörigen, sofern sie überhaupt besteht, einem Antragsteller auf Zuerkennung von Notstandshilfe mit durchschnittlichen Fähigkeiten erkennbar sein muss (mit ausführlicher Begründung). (Hier: Aus dem Umstand allein, dass der Arbeitslose bei seinen Antragstellungen auf Zuerkennung von Notstandshilfe wohl das Nettoeinkommen seiner Lebensgefährtin aus einer Beschäftigung, nicht aber das Kinderbetreuungsgeld angegeben hat, kann nicht auf einen Vorsatz oder auf einen bedingten Vorsatz geschlossen werden.) Dokumentnummer JWR_2005080100_20051221X02 Aus der Urteilsbegründung:Es wird somit nach dem Bezug von Kinderbetreuungsgeld weder beim Arbeitslosen selbst noch bei im gemeinsamen Haushalt lebenden Partnern gefragt. Auch aus den Erläuterungen des Formulars zum Einkommensbegriff geht nicht hervor, dass Kinderbetreuungsgeld als Einkommen betrachtet wird, wobei im Zusammenhang mit Angehörigen der dort verwendete Begriff des "Nettoeinkommens" überhaupt nicht erläutert wird. Aus den Fragestellungen im Formular kann somit nicht abgeleitet werden, dass der Beschwerdeführer vorsätzlich den Bezug des Kinderbetreuungsgeldes bei seiner Lebensgefährtin verschwiegen hat. Das Wissen um die Anrechenbarkeit des Kinderbetreuungsgeldes erschließt sich dem Normadressaten auch nicht etwa z.B. durch nahe liegende Überlegungen über den Zweck dieser Sozialleistung von selbst, wie schon die nicht widerspruchsfreie Rechtslage hinsichtlich der Notstandshilfe einerseits und hinsichtlich des Kinderbetreuungsgeldes andererseits zeigt: Gemäß § 5 Abs. 1 letzter Satz der Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973 in der Fassung BGBl. II Nr. 490/2001, ist u. a. Einkommen nach § 3 Abs. 1 Z. 5 lit. d EStG 1988 (somit auch Kinderbetreuungsgeld, dessen Steuerfreiheit auf dieser Bestimmung beruht) beim Arbeitslosen nicht bloß bis zur Grenze der Geringfügigkeit im Sinne des § 5 Abs. 2 ASVG, sondern überhaupt nicht auf die Notstandshilfe anzurechnen, wogegen § 36a Abs. 3 AlVG (Einkommen), der - wie Abs. 1 leg. cit. festlegt - auch für die Anrechnung auf die Notstandshilfe gilt, die Hinzurechnung des Kinderbetreuungsgeldes als "steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 ... Z. 5 lit. a bis d ... EStG 1988" zum "Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988" anordnet. § 6 Abs. 7 erster Satz Notstandshilfeverordnung sieht hingegen für die Anrechung des Einkommens der Lebensgefährtin keine Ausnahme von § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG und damit die Hinzurechnung des Kinderbetreuungsgeldes vor. Gemäß § 2 Abs. 1 des Kinderbetreuungsgeldgesetzes (KBGG), BGBl. I Nr. 103/2001, ist eine der Voraussetzungen für den Anspruch auf Kinderbetreuungsgeld, dass der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8) des Elternteiles im Kalenderjahr den Grenzbetrag von EUR 14.600,-- nicht übersteigt; gemäß § 8 Abs. 1 Z. 1 letzter Satz KBGG zählen auch Arbeitslosengeld und die Notstandshilfe als Einkünfte aus nichtselbständiger Arbeit. Gemäß § 9 Abs. 1 Z. 3 in Verbindung mit den §§ 12 und 13 KBGG haben - der Sache nach - in Lebensgemeinschaft lebende Mütter bzw. Väter Anspruch auf einen Zuschuss zum Kinderbetreuungsgeld, sofern der im gemeinsamen Haushalt lebende Partner kein Einkommen erzielt oder der maßgebliche Gesamtbetrag der Einkünfte (§ 8: d.h. unter Einschluss auch der Notstandshilfe) nicht mehr als EUR 7.200,-- (Freigrenze) beträgt. Übersteigt das Einkommen des Ehegatten die Freigrenze, so ist der Unterschiedsbetrag (auch dann, wenn er aus einem Notstandshilfebezug erwächst) auf den Zuschuss anzurechnen (§ 12 Abs. 2 leg. cit.). Auch aus der Sicht des KBGG wäre daher nicht von vornherein damit zu rechnen, dass der Notstandshilfebezug des Lebensgefährten, von dessen Höhe zunächst die Gebührlichkeit des Zuschusses zum Kinderbetreuungsgeld abhängt, durch gleichzeitige Anrechnung des Kinderbetreuungsgeldes (samt Zuschuss) gekürzt werden kann, sodass es also - anders als im Verhältnis zweier Notstandshilfebezüge zueinander (§ 36 Abs. 2 vorletzter Satz AlVG) - unter bestimmten Umständen sogar zu einer mehrfachen wechselseitigen Anrechnung von Notstandshilfe und Kinderbetreuungsgeld kommen kann und so die zuerst erwähnte Regelung den sozialpolitischen Zweck der letztgenannten zu konterkarieren scheint. Es kann aber auch nicht ausgeschlossen werden, dass ein bloßes Redaktionsversehen vorliegt und der Gesetzgeber bei der (der Befreiung von der Steuerpflicht dienenden) Einfügung der Wendung", weiters das Kinderbetreuungsgeld" in die Bestimmung des § 3 Abs. Z. 5 lit. b EStG 1988 durch Art. 14 des Bundesgesetzes, mit dem u.a. das Kinderbetreuungsgeldgesetz erlassen wurde, BGBl. I Nr. 103/2001, nur übersehen hat, dass er durch diese Änderung gleichzeitig beim Einkommensbegriff des AlVG wegen der in § 36a Abs. 3 Z. 1 AlVG enthaltenen Verweisung auf § 3 Abs. 1 Z. 5 lit. a bis d EStG 1988 eine Hinzurechnungsanordnung trifft. Diese könnte bisher auch beim Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit unentdeckt geblieben sein, wofür § 5 Abs. 1 der NHV als Beleg dienen kann. Auch die Materialien zum Kinderbetreuungsgeldgesetz (RV: 620 Blg. NR XXI. GP, 55) gehen ausdrücklich von einer "grundsätzlichen Zulässigkeit des Bezuges von Arbeitslosengeld oder Notstandshilfe während des Bezuges von Kinderbetreuungsgeld" aus. Es kann somit weder auf Grund der geschilderten Gestaltung des Antragsformulars noch auf Grund der Rechtslage davon die Rede sein, dass eine Verpflichtung zur Bekanntgabe einer steuerfreien Sozialleistung, wie z.B. des Kinderbetreuungsgeldes beim Angehörigen, sofern sie überhaupt besteht, einem Antragsteller auf Zuerkennung von Notstandshilfe mit durchschnittlichen Fähigkeiten erkennbar sein muss. Aus dem Umstand allein, dass der Beschwerdeführer bei seinen Antragstellungen auf Zuerkennung von Notstandshilfe wohl das Nettoeinkommen seiner Lebensgefährtin aus einer Beschäftigung, nicht aber das Kinderbetreuungsgeld angegeben hat, kann daher nicht auf einen Vorsatz oder auf einen bedingten Vorsatz geschlossen werden. Andere Umstände, welche eine andere Schlussfolgerung tragen könnten, hat die belangte Behörde nicht festgestellt. Der angefochtene Bescheid erweist sich daher als inhaltlich rechtswidrig; er war daher im Umfang der Anfechtung gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben. Dokumentnummer JWT_2005080100_20051221X00
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