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/ Voraussetzungen für den
AMS-Bezug / Arbeitsfähigkeit
/ ärztliche Untersuchung
ärztliche Untersuchungen - Feststellung der
Arbeitsfähigkeit/Arbeitsunfähigkeit
(aktualisiert am 24.4.2021)
Hat das AMS objektiv begründbare Zweifel an Ihrer
Arbeitsfähigkeit oder behaupten Sie selbst, grundsätzlich nicht
arbeitsfähig zu sein oder nur eingeschränkt arbeitsfähig zu sein,
so hat das AMS von Amts wegen Sie zu einer ärztliche Untersuchung
zu schicken. Häufige Krankenstände oder ärztliche Gutachten können
derartige Zweifel hervorrufen (VwGH 2000/02/0215). Sie können
versuchen, diese Zweifel zu zerstreuen, in dem Sie selbst
ärztliche Gutachten beibringen. Das AMS muss die Gründe angeben,
wenn es diese Gutachten nicht anerkennt.
Voraussetzungen für die Zuweisung:
- Das AMS muss die Zweifel an Ihrer Arbeitsfähigkeit objektiv
begründen.
- Das AMS muss Ihnen diese Gründe für die Wahrung des Parteiengehörs
mitteilen und Gelegenheit zur Stellungnahme geben (VwGH
98/08/0357 RS 2 =
VwGH 2003/08/0271 RS 1).
- Das AMS muss Sie über die Sanktionen im Falle der Weigerung
belehren.
- Weil durch ärztliche Untersuchungen das verfassungsrechtlich
geschützte Recht auf Achtung des Privat- und Familienlebens nach
Artikel 8 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) berührt
wird, wäre laut früherer Rechtsmeinung von Krapf/Keul im
"AlVG-Praxiskommentar" die Anweisung zur ärztlichen
Untersuchung als Bescheid notwendig (unter Verweis
auf VwGH 2004/08/0271). Leider hat zwischenzeitlich der VwGH
zwischenzeitlich behauptet, dass trotz Eingriff in Artikel 8
EMRK kein Bescheid schon bei der Zuweisung notwendig sei, weil
diese "nicht durch Zwangsmaßnahmen unmittelbar durchsetzbar"
sei. Erst bei der Verweigerung der Untersuchung soll ein
Bescheid notwendig sein (VwGH 2013/08/0228 RS 3). Die ärztliche
Untersuchung dürfe aber "als Mittel zur Disziplinierung
arbeitsunwilliger, unangenehmer oder aufsässiger
Leistungsbezieher eingesetzt werden." (VwGH 2013/08/0228 RS 1)
Wer darf begutachten?
- Mit dem Sozialrechtsänderungsgesetz 2010 (SRäG 2010.
BGBl I 2010/62) wurde nun festgelegt, dass das AMS die Gutachten
der Pensionsversicherungsanstalt (Gesundheitsstraße)
anzuerkennen hat und für die Festlegung zumutbarer Arbeit und
für die weitere Betreuung zu verwenden hat. Aus dem
Gesetzeszweck, eine zentrale arbeitsmedizinische
Begutachtungsstelle zu schaffen, wird nun von der Arbeiterkammer
(siehe Keul/Krapf) gefolgert, dass andere medizinische
Einrichtungen, wie das unter Arbeitslosen oft umstrittene BBRZ,
nicht mehr mit Beurteilung der Arbeitsfähigkeit betraut werden
dürfen.
-
Ärztliche
Untersuchungen sind nur bei expliziter Zuweisung direkt durch
das AMS sanktionierbar. Ärztliche Untersuchungen dürfen
keinesfalls im Rahmen einer Wiedereingliederungsmaßnahme, wie
z.B. bei "beruflichen Komepeteznzentren" oder bei
Beratungsmaßnahmen des BBRZ, gemacht werden: "Auch ärztliche
Untersuchungen sind kein zulässiger Inhalt einer Maßnahme
zur Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt,
sondern haben unter den Voraussetzungen des §
8 AlVG (vgl. dazu etwa das hg. Erkenntnis vom 11.
September 2008, Zl. 2007/08/0049) bei objektiven Zweifeln an
der Arbeitsfähigkeit stattzufinden." ( VwGH
2013/08/0280 TE)
-
Im Regelfall ist nur die Anweisung zur
zuständigen Beguachtungsstelle (PVA Gesundheitsstrasse)
möglich, da „die Prüfung, ob überhaupt und welche
medizinischen Untersuchungen erforderlich sind, grundsätzlich
nicht von betreuenden Bediensteten des AMS
vorgenommen werden, da diese medizinisch nicht
fachkundig sind und daher die Gefahr
besteht, dass Untersuchungen angeordnet
werden, die entweder überflüssig oder
angesichts der zu beantwortenden medizinischen Fachfrage unter
Berücksichtigung der zur Verfügung stehenden Untersuchungs-
und Diagnosemethoden unverhältnismäßig
sind.“ ( VwGH
2003/08/0271 RS 4).
-
Das AMS ist verpflichtet, Sie dann „in
jedem Fall über die Gründe für eine Zuweisung zu einer
(weiteren) Untersuchung zu unterrichten, dazu zu hören und
über die Sanktion für den Fall der Verweigerung der
Untersuchung zu belehren“ ( VwGH
2009/08/0127 TE).
-
Tipp: Sie haben das Recht, Ihre
VertrauensärztIn zur amtsärztlichen Untersuchung mit zu
nehmen. Umgekehrt sind Sie nicht verpflichtet, dem/der
AmtsärztIn an einer Untersuchung bei Ihrer/m VertrauensärztIn
beizuwohnen zu lassen.
Sanktionen
Weigern Sie sich eine solche ärztliche Untersuchung zu machen, so
erhalten Sie für die Dauer der Weigerung keinen AMS-Bezug. Er
läuft aber automatisch weiter, sobald Sie die geforderte
Untersuchung machen und dies dem AMS melden. über die
Bezugseinstellung muss das AMS auf jeden Fall einen Bescheid
ausstellen.
VORSICHT NEUE
FALLE: Seit 1.1.2013 gilt
eine im Belastungspaket 2011 beschlossene Regelung, derzufolge nur
noch bis zur Erstellung des ärztlichen Gutachten, längsten jedoch
nur für 2 Monate, Sie sich nicht mehr
arbeitswillig und auch nicht für AMS-Maßnahmen bereit stehen
müssen. Diese Frist wurde mit 1.1.2014 immerhin
auf 3 Monate verlängert.
ABER: Sind dem AMS Gründe für Zweifel an Ihrer
Arbeitsfähigkeit bekannt und hat es diese vorher nicht geklärt,-
was bei einem nicht abgeschlossenen amtsärztlichen Untersuchung
der Fall ist - dann ist die Zuweisung zu einer
„Wiedereingliederungsmaßnahme“ rechtswidrig. Das AMS darf Ihnen
den Bezug nicht sperren, wenn Siediese Maßnahme dann verweigern
(VwGH 2007/08/0005).
Das AMS darf den Bezug NICHT einstellen:
- Wenn Sie bloß erklären, eine ärztliche Untersuchung nicht
machen zu wollen. Die Weigerung fängt erst an, wenn Sie nicht
zum Termin der ärztlichen Untersuchung gehen, Erst dann
darf das AMS den Bezug sperren!
- Wenn Sie im Krankenstand sind und vom behandelnden (Haus)Arzt
als "arbeitsunfähig" bestätigt werden. Das AMS darf keine
Bettlägerigkeitsbestätigung verl
angen (das wäre eigentlich Nötigung wenn dabei eine Bezugssperre
angedroht wird!) BVwG Wien W141 2109999-1 Text
im RIS)
- NEU: Wenn Sie wegen „triftiger Gründe“ verhindert
waren (VwGH
2000/19/0140 RS 2) wie ein Vorstellungsgespräch
zur gleichen Zeit (sofern Sie nicht allzu auffällig absichtlich
die Überschneidung herbei geführt haben!)
- Wenn Sie zum Arzttermin erscheinen aber sich weigern, der
Übermittlung der Daten ans AMS zuzustimmen: „Eine derartige
Datenübermittlung ist im AlVG nicht vorgesehen“ (VwGH
2007/08/0242 RS 1).
- Wenn Sie sich weigern „einen vom Arbeitsmarktservice oder von
einem von diesem beigezogenen arbeitsmedizinischen Dienst
geforderten Befund selbst einzuholen und beizubringen“ (VwGH
2007/08/0255 RS 1).
- Wenn Sie zwar eine rechtsgültig angeordnete ärztliche
Untersuchung bei einem Gutachter machen aber sich weigern erst
dort von diesem Arzt spontan für notwendig befundene zusätzliche
Untersuchungen über sich ergehen zu lassen. Der Facharzt ist
nicht berechtigt zusätzliche Untersuchungen anzuordnen, das darf
nur die für die gesamte Untersuchung zuständige einheitliche
Begutachtunsstelle! (PVA-Gesundheitsstraße) (VwGH
2009/08/0127 TE noch zum alten System).
- Das AMS darf die ärztliche Untersuchung nicht als Mittel zur
Disziplinierung arbeitsunwilliger, unangenehmer oder aufsässiger
Arbeitsloser einsetzen (VwGH
2003/08/0271 RS 3).
- Wenn Sie sich weigern, eine Untersuchung zu machen, darf das
AMS daraus keine „Arbeitsunwilligkeit“ ableiten und Sie mit
einer Bezugssperre von § 10 AlVG sanktionieren (VwGH
99/02/0041 RS 1). Es darf aber ab dem versäumten
Arzttermin den Bezug nach § 8 AlVG einstellen.
Beweiswürdigung des Gutachtens
- Aufgabe des ärztlichen Gutachtens ist es lediglich den
medizinischen Befund und die Diagnose zu stellen (allfällige
Gesundheitseinschränkungen). Das AMS hat daraus in der „freien
Beweiswürdigung“ die Rechtsfrage der „Arbeitsfähigkeit“ und
falls sich Einschränkungen bei der
Arbeitsvermittlung ergeben diese zu beurteilen (auch wenn es
fachlich nicht dazu in der Lage ist!).
- Das AMS muss die Ergebnisse der medizinischen Untersuchungen
Ihnen zur Wahrung des Parteiengehörs bekannt geben und eine
Stellungnahme ermöglichen.
Was tun gegen Sachverständige und deren Gutachten?
- Die Befangenheit eines Verwaltungsorgans (hier eines
Amtssachverständiger) können Sie (nur) dann mit Erfolg
einbringen, wenn sich sachliche Bedenken gegen die Erledigung
dieses Verwaltungsorgans ergeben.“ (VwGH 95/10/0034 RS 5)
- Die Einbindung eines Amtssachverständigen in die
Amtshierarchie ist ein wesentliches Kennzeichen des
Amtssachverständigen und vermag für sich allein eine
Befangenheit nicht zu begründen, gleichgültig, welche Stellung
der Amtssachverständige in der Hierarchie einnimmt.“ (VwGH
95/10/0034 RS 6)
- Die Ablehnung von Amtssachverständigen ist nicht möglich, aber
Sie haben die „Möglichkeit, Umstände, die gegen den
Amtssachverständigen sprechen, im Verfahren vorzubringen.“
(VwGH 95/10/0034 RS 7)
- Hat eine Partei grundlegende Bedenken gegen ein ärztliches
Gutachten, dann ist es an ihr gelegen, auf gleichem fachlichem
Niveau diesem entgegenzutreten oder unter Vorlegen von
tauglichen Beweismitteln darzutun, dass die Aussagen des
ärztlichen Sachverständigen mit dem Stand der medizinischen
Forschung und Erkenntnis nicht vereinbar sind.“ (VwGH
2008/02/0176 RS 3)
- Ein Beschwerdeführer ist nicht gehalten, einem unvollständigen
bzw. unrichtigen Befund in einem Gutachten auf gleicher
fachlicher Ebene entgegenzutreten; die unvollständige und
unrichtige Befundaufnahme vermag auch ein Laie nachvollziehbar
darzulegen.“ (VwGH 2009/05/ 0169 RS 2)
- Es ist „auch ohne Gegengutachten möglich, Unschlüssigkeiten
oder Unvollständigkeiten des Gutachtens aufzuzeigen.“ Sie können
das „Gutachten auch durch auf gleicher fachlicher Ebene
angesiedelte Argumente bekämpfen. (VwGH 2008/07/0087)
Rechtsmittel
Nur gegen Bescheide der PVA können Sie beim Arbeits- und
Sozialgericht klagen. Im Gegensatz zu früher gibt es während des
Gerichtsverfahrens leider keinen Pensionsvorschuß mehr und mensch
soll dann beim AMS so tun, als sei man doch "arbeitsähig". Sie
können auch nur gegen einzelne Teile des PVA-Bescheids klagen wie
zum Beispiel die Vorschreibung einer Rehabilitation, die meist nur
sehr allgemein angeführt wird und dann sich als de facto
Zwangsbehandlung in einem Rehabzentrum fern der Heimat
herausstellen kann!
TIPP: Da die ärztliche Untersuchung nach § 8 AlVG auf Zuweisung
durch das AMS nicht mit einem Bescheid abgeschlossen wird, der bei
Gericht bekämpft werden kann, empfehlen wir bei Zuweisung durch
das AMS zu einer § 8 AlVG Untersuchung gleichzeitig einen Antrag
bei der PVA auf Zuerkennung der
Rehabilitation/Invaliditätspension zu stellen!
ACHTUNG: Neue Adresse des Arbeits-
und Sozialgericht Wien: Althanstraße 39-45, 1091 Wien
Nach der ärztlichen Untersuchung
Wenn das ärztliche Gutachten Ihnen keine
Arbeitsunfähigkeit bescheinigt, müssen Sie dem AMS zur Vermittlung
und für AMS-Maßnahmen wieder zur Verfügung stehen. Sie dürfen also
gegenüber der Behörde oder potentiellen ArbeitgeberInnen nicht
behaupten, (rechtlich) arbeitsunfähig zu sein. Sie werden als vom
Staat gezwungen de facto zu lügen!
VORSICHT FALLE:
Wenn das AMS aufgrund der Bewertung der Rechtsfrage
"Arbeitshähigkeit" eine Niederschrift macht, dann darf das
AMS Sie nur dazu verfplichten, zu erklären, sich um angeblich
zumutbare Stellen zu bewerben, dem Sie natürlich nachkommen. Das
AMS darf Sie aber nicht zwingen zu erklären arbeitsfähig zu sein.
Die Arbeitsfähigkeit ist nämlich eine Rechtsfrage die Sie nicht zu
entscheiden haben sondern das AMS als Behörde.
Erst wenn Sie trotz "ausführlicher
Rechtsbelehrung" (VwGH
2010/08/0187 RS 2) darauf beharren, generell nicht
arbeitsfähig zu sein oder die vom ärztlichen
Sachverständigengutachten als zumutbarerachtet bezeichnete
Arbeiten nicht ausführen zu können, darf das AMS
„Arbeitsunfähigkeit“ annehmen und Ihnen den Bezug einstellen
(siehe auch VwGH2007/08/0012, 2007/08/0132, 2009/08/0051).
Das heißt natürlich nicht, dass Sie in einer
Arbeit oder AMS-Maßnahme mehr leisten müssen als Sie
gesundheitlich können. Sie könne im Falle einer
Überforderung immer noch in den Krankenstand gehen. Das Risiko für
die vom Staat erzwungene Lüge trägt letztlich die Wirtschaft, die
sich mit nicht wirklich arbeitsfähigen Menschen herum schlagen
darf und daher auch mit Ausfällen wegen Krankenständen und in
weiterer Folge mit erhöhten Kosten rechnen muß bzw. sich neue
Mitarbeiter suchen muß ...
Sie dürfen natürlich das AMS darauf hinweisen,
dass es keinen Sinn macht, Ihnen Stellenzuweisungen zu geben, die
Sie gesundheitlich überfordern und dass das AMS im Falle einer
gesundheitlichen Schädigung eventuell im Zuge der
Amtshaftung für den Schaden aufkommen muß bzw. sich des
strafrechtlichen Tatbeständes der Körperverletzung mitschuldig
machen könnte.
VORSICHT FALLE:
Lehnen Sie eine vom AMS zugewiesene Arbeit wegen gesundheitlicher
Einschränkungen ab und haben diese vor der Zuweisung nicht dem AMS
mitgeteilt, nützt Ihnen auch ein in Folge gemachtes ärztliches
Gutachten nichts mehr! Daher sollten Sie schauen, dass Sie
nachweislich gegenüber dem AMS ihre Zeifel über Ihre
Arbeitsfähigkeit gemacht haben (z.B. via eAMS).
Bescheinigt Ihnen das ärztliche Gutachten die
Arbeitsunfähigkeit, dann bleiben Sie weiterhin von der Pflicht zur
Arbeitswilligkeit befreit und können die Invaliditätspension
beantragen.
VORSICHT DATENFALLE fit2works: Sollte
wer sich Hilfe von der derzeit noch freiwilligen und vom
Sozialministerium als "vertraulich" beworbenen
Beratungseinrichtung fit2work erwarten, so sei er/sie gewarnt:
Aufgrund einer bereits 2013 von der Regierung beschlossenen
Gesetzesnovelle werden sensible Gesundheitsdaten hinter dem Rück
der Betroffenen ohne deren Zustimmung an AMS, PVA, Krankenkassa
usw. weiter gegeben! Verlange Sie die Unterschrift unter eine Vertraulichkeitserklärung
[Musterbrief].
VORSICHT FALLE BBRZ Reha-Coaching usw.:
Das AMS weist gerne zum Maßnahmen bei BBRZ, bfi und so weiter zu,
wo weitere ärztliche Untersuchungen gemacht werden bzw.
Gesundheitsdaten erhoben werden, was laut VwGH nicht zumutubar ist
und daher das AMS Ihre Versicherungsleistung nicht einstellen darf
(VwGH
2013/08/0280).
Siehe auch:
Rechtliche Grundlagen für die Untersuchung bei der
Gesundheitsstraße
Weitere Infos
Copyright: Mag. Ing. Martin Mair, 2011/2014
Quelle: Erste Hilfe Handbuch für Arbeitslose --> https://www.aktive-arbeitslose.at/erstehilfehandbuch/index.html
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