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Höchstgerichte:
Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und
Verfassungsgerichtshof (VfGH)
(notdürftig aktuallisiert am 17.2.2020)
Nach ablehnendem Bescheid zweiter Instanz ist kein „ordentliches
Rechtsmittel“ mehr möglich sondern nur noch eine Beschwerde an den
Verwaltungsgerichtshof (VwGH) und/oder den Verfassungsgerichtshof
(VfGH).
Frist für die Einbringung der Beschwerde: 6 Wochen.
Kosten der EInbringung: 240 Euro, außer Sie bekommen eine
Verfahrenshilfe.
Es besteht Anwaltszwang. Sie können aber eine Verfahrenshilfe
beantragen. Dafür haben Sie ebenfalls sechs Wochen Zeit. Wird die
Verfahrenshilfe bewilligt, bekommen Sie kostenlos einen mehr oder
weniger engagierter Anwalt. Wunschanwalt oft de facto möglich,
wenn dieser Ihren Fall für wenig Geld übernimmt. Die
6-Wochen-Frist zur Einbringung der Revision / Beschwerde läuft neu
an!
Eine aufschiebende Wirkung von Revisionen / Beschwerden
auf Ihren Antrag hin ist nur dann möglich, wenn Sie sonst einen
besonders schwerwiegenden Nachteil erleiden - was bei einer
Bezugssperre wohl der Fall ist aufgrund der Existenzgeährdung -
und dem keine zwingenden öffentlichen Interessen entgegen
stehen. (§ 30 VwGG / § 85 VfGG), was bei AMS-Verfahren wohl eher
nicht der Fall ist.
TIPP:
Die Auswahl an engagierten RechtsanwältInnen, die auf
Verfahrenshilfekosten arbeiten ist eher gering, daher empfehlen
wir doch rechtzeitig eine Rechtsschutzversicherung für den Bereich
Sozialversicherung zu nehmen! Bitte dabei aufpassen, daß freie
Anwaltswahl geboten wird und beachten, daß erst nach einer
bestimmten Frist (6 Monate) Rechtsschutz gewährt wird.
Wichtig ist auf jedem Fall, Anwälten eine gute geordnete Unterlage
zu übergeben. Da bei Verwaltugnsverfahren wenig Geld zu gewinnen
ist, sind leider nur wenige Anwälte bereit, viel Zeit und Energie
in AMS-Verfahren zu stekcen!
TIPP:
Lassen Sie eine mündliche
Verhandlung verlangen. Wird diese nicht gemacht kann das
vielleicht eine Verletzung des Rechts auf ein Faires Verfahren
nach Artikel 6 EMRK sein und beim EGMR bekämpft werden.
Verlieren Sie die Revision, dann müssen Sie trotz Verfahrenshilfe
die Kosten der Gegenseite zahlen. In Sachen
Arbeitslosenversicherung bzw. AMS ist das das Sozialministerium
(ab 2020: Familienministerium) als zuständiges Organ der Republik
Österreich. Können Sie sich das nicht leisten, so sollte das
Ministerium auf Ihren Antrag hin vernünftigerweise eine
Ratenzahlung anbieten.
Aufgrund des Kostenrisikos ist es gut, wenn die Arbeiterkammer
die Revision / Beschwerde übernimmt oder eine
Rechtsschutzversicherung rechtzeitig abgeschlossen worden ist (oft
gibt es eine Wartefrist von einem halben Jahr!).
VORSICHT
FALLE: Bei der Beschwerde beim VwGH oder dem VfGH gibt es
das Neuerungsverbot,
weshalb Sie spätestens bei der Berufung gegen den
Erstbescheid alle Argumente einbringen sollten! Nur wenn Ihnen das
AMS das Parteiengehör nicht ausreichend gewährt hat, können Sie
dagegen beim VwGH erfolgreich beschweren und haben dafür „die
entscheidenden Tatsachen bekannt zu geben, die der Behörde wegen
dieser Unterlassung unbekannt geblieben sind“ (VwGH 90/18/0158 RS
2).
Sollten Sie im Falle des Misserfolges auch zum
Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) gehen
wollen, empfiehlt es sich, auch den Verfassungsgerichtshof
anzurufen da dies Voraussetzung für den EGMR sein könnte.
Verwaltungsgerichtshof (VwGH)
Der Verwaltungsgerichtshof überprüft, ob das AMS sein Verfahren
rechtskonform durchgeführt. Der VwGH überprüft nun oft deutlich
genauer als das AMS die drei Elemente:
- den Sachverhalt (aber nur so weit dieser bereits dokumentiert
ist!)
- die Beweiswürdigung
- und die Beurteilung der Rechtsfragen.
Ein Großteil von gut begründeten Beschwerden gegen AMS-Sanktionen
war bis zu den ersten Verfahren zuvor der AlVG-Novelle 2007 beim
VwGH erfolgreich. Eine Entscheidung dauert bis zu 2 – 4 Jahre.
VORSICHT
FALLE: Mit den neu eingeführten Landes- und
Budesverwaltungsgerichten sollten auch die Höchstgerichte
entlastet werden, weshalb der Gesetzgeber neue formelle
Zugangshürden geschaffen hat.
Das Verwaltungsgericht hat nämlich die Kompetenz bekommen,
festzulegen ob ein ordentlicher Rekurs ohne extra Begründung
zulässig ist oder nicht. In den allermeisten Fällen, verweigert
das Verwaltungsgericht die ordentlichen Revision, oft auch zu
Unrecht. Dann bleibt Ihnen nur noch die "außerordentliche
Revision" über, bei dem Sie zuerst begründen müssen, warum dieser
Zulässig ist, bevor das Höchstgericht sich überhaupt mit dem
Inhalt der Revision auseinander setzen muß!
Der Verwaltungsgerichtshof kann nur solche Revisionen behandeln,
bei denen die Entscheidung von der Lösung einer Rechtsfrage
von "grundsätzlicher Bedeutung" abhängt. Dies ist
insbesondere dann der Fall,
- wenn die Entscheidung des Verwaltungsgerichtes von der
Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes abweicht,
- eine Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofs zur
aufgeworfenen Rechtsfrage fehlt oder
- die zu lösende Rechtsfrage in der bisherigen Rechtsprechung
nicht einheitlich beantwortet wird.
Das muß als eigener Punkt klar ersichtlich eingebracht werden.
Der VwGH hat sogar Revisionen abgewiesen, wenn das richtige
Argument unter dem falschen Punkt gebracht worden ist!
Zum Punkt der fehlenden Rechtsprechung gehört für uns auch, dass
zwar eine Rechtsfrage behandelt worden ist, aber nicht unter
Berücksichtigung ALLER relevanten Gesichtspunkte und aller
relevanten bisherigen Rechtsprechung. Zum Beispiel wird in
biesherigen Urteilen oft nicht auf Fragen der Grundrechte
eingegangen, weil diese in bisherigen Verfahren gar nicht oder
nicht deutlich genug in Stellung gebracht worden sind.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in letzter Zeit auch die
Anforderungen an eine inhaltliche Begründung der Sinnlosigkeit
von AMS-Zwangsmaßnahmen deutlich in die Höhe geschraubt.
Daher sollten Sie eine VwGH-Beschwerde bestens vorbereiten und
nicht darauf vertrauen, dass Ihr Anwalt schon alles richten wird.
Die Darstellung der tatsächliche Abläufe und Tatsachen sowie
möglicher rechtlicher Argumente erfordert nun größte Genauigkeit
und ausreichend Beweise! Der Verwaltungsgerichtshof ist nicht
verpflichtet, Tatsachen und Argumente zu berücksichtigen, die
nicht in der Revision vorgebracht werden!
Siehe dazu auch: Generalvorverurteilung
für Langzeitsarbeitslose?
Verwaltungsgerichtshof
Judenplatz 11
A-1014 Wien
Telefon: +43 1 53111 0
https://www.vwgh.gv.at
Gesetzliche Grundlage:
Verfassungsgerichtshof (VfGH)
Beschwerden beim Verfassungsgerichtshof überprüfen die Einhaltung
der Verfassungsgrundsätze (z.B. Gleichbehandlungssatz siehe
Kapitel Menschenrechte)
und können zur Aufhebung von Gesetzesstellen bzw. zum Auftrag der
Behebung von verfassungswidrigen Gesetzesinhalten führen. Ist der
Verfassungsgerichtshof für Ihr Verfahren nicht zuständig, weil es
mehr um die Umsetzung von Rechtsvorschriften geht, so hat er
dieses von sich aus an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten.
Verfassungsgerichtshof
Judenplatz 11
A-1014 Wien
Telefon: +43 1 53122 0
https://www.vfgh.gv.at
Gesetzliche Grundlage:
Nach dem Verfahren
Nach einem verlorenen Verfahren beim VwGH oder VfGH können Sie
nur noch ein Verfahren vor dem Europäischen
Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anstreben,
wenn Sie der Meinung sind, die Europäischen
Menschenrechtskonvention sei verletzt worden sowie beim
Europäischen Gerichtshof (EuGH) wenn EU-Recht verletzt wurde
VORSICHT
FALLE: Wenn Sie sich den Weg zum Europäischen Gerichtshof
für Menschenrechte offen halten wollen, dann sollten Sie neben
einer Beschwerde bei Verwaltungsgerichtshof auch eine beim
Verfassungsgerichtshof machen, da Voraussetzung beim EGMR ist,
dass alle Instanzenwege auf nationaler Ebene ausgeschöpft worden
sind. Auch müssen Sie die erste Möglichkeit nutzen, die Verletzung
der EMRK zumindest kurz konkret anzuführen. Also schon bei der
Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht. Wenn das
Bundesverwaltungsgericht die EMRK verletzt, weil es z.B. keine
mündliche Verhandlung durchgeführt hat, dann bei der Revision an
den Verwaltungsgerichtshof.
Ein gewonnenes Verfahren kann Grund für die Wiedereinsetzung
in den vorherigen Stand bieten, wenn Sie z.B. nach einer
nunmehr aufgehobenen ersten Bezugssperre eine weitere hatten, die
nun von 8 auf 6 herabgesetzt werden kann. Sie müssen das aber auch
binnen 2 Wochen nach Erhalt des Urteils machen!
TIPP:
Wenn Sie gewonnen haben, können Sie beim AMS noch eine Dienstaufsichtsbeschwerde
nachlegen bzw. eine Amtshaftungsklage!
Copyright: Mag. Ing. Martin Mair, 2020
Quelle: Erste Hilfe Handbuch für Arbeitslose --> https://www.aktive-arbeitslose.at/erstehilfehandbuch/index.html
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