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Zumutbarkeit einer Arbeit: Vorsicht vor überregionaler Stellenvermittlung!

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In neuerer Zeit wird vor allem von der Tourismusbranche der Ruf nach "überregionale Stellenvermittlung" laut. Von einzelnen AMS-MitarbeiterInnen wird gerne zur Disziplinierung von ihre Rechte einfordernden Arbeit Suchenden mit der Vermittlung z.B. als Tellerwäscher nach Tirol gedroht.

Stellt der Arbeitgeber eine Unterkunft zur Verfügung, so sollen nach § 9 Absatz 2 AlVG auch auswärtige Arbeitsangebote zumutbar sein, sofern dem nicht gesetzliche Betreuungspflichten (Kinder, pflegebdürftige Angehörige) entgegen stehen.

Wie muß diese Unterkunft ausschauen?

Erstaunlicherweise konnten wir weder in der Rechtsprechung noch in allgemeinen Informatioen der Gewerkschaften usw. zu dieser nicht unwesentlichen Frage Informationen finden. Auf jeden Fall muß diese Unterkunft entsprechend Artikel 8 EMRK Ihre Privatsphäre schützen. Das heipt auf jeden Fall ein Einzelzimmer, das versperrbar ist. Massenunterkünfte wie im vorletzten Jahrhundert werden heutzutage wohl kaum zumutbar sein. Ebenso sehen wir auch die Körperpflege als wesentlichen Bestandteil der Privatsphäre, weshalb das absperrbare Zimmer auch WC und Dusche

Die Unterkunft muß natürlich auch eine Erholung von der Arbeit ermöglichen, insbesondere störungsfreie Schlafzeiten gewähren.

Da laut AlVG das Unternehmen die Unterkunft bereit stellen soll und Sie ja diese nur für die Arbeit brauchen, also nicht als eigene Privatunterkunft im Sinne eines frei gewählten Wohnsitzes nutzen werden, gehen wir davon aus, daß diese natürlich kostenlos zur Verfügung gestellt werden muß.

Was sprichtet gegen die Zumutbarkeit der "überregionalen Stellenvermittlung"?

Das Grundrecht auf freie Wahl des Ortes von "Aufenthalt und Wohnsitz" wird in österreich gleich durch drei Verfassungsbestimmungen geschützt: Einmal nach § 6 Staatsgrundgesetz (StGG) [Text im RIS] sowie durch das Grundrecht der "Freizügigkeit der Person" (§ 4 StGG) [Text im RIS]. Ebenfalls im Verfassungsrang steht die Europäische Menschenrechtskonvention, die in Artikel 2 des von Österreich ratifizierten 4. Zusatzprotokoll ebenfalls das Grundrecht auf freie Wohnsitzwahl enthält: "Jedermann, die sich rechtmäßig im Hoheitsgebiet eines Staates aufhält, hat das Recht, sich dort frei zu bewegen und seinen Wohnsitz frei zu wählen." [Text im RIS]

Weiter kann durch eine auswärtige Arbeit das ebenfalls in Verfassungsrang stehende Recht auf Schutz/Genuß des Privatlebens (Artikel 8 EMRK) [Text im RIS] beeinträchtigt werden. Die gesetzlichen Betreuungspflichten für Angehörige sind auf jeden Fall vom AMS zu berücksichtigen, weil das sogar in § 9 Absatz 2 AlVG extra angeführt wird!

Das AMS ist zudem nach § 29 AMSG nicht nur verpflichtet, bei der Stellenvermittlung ihren Vermittlungswunsch zumindest zu berücksichtigen und auf "wirtschaftlich sinnvolles und nachhaltiges Zusammenführen von Arbeitskräfteangebot und -nachfrage hinzuwirken", sondern hat nach § 31 AMSG aus "einen angemessenen Ausgleich der Interessen der Arbeitgeber und der Arbeitnehmer zu achten".

Durch die Fahrtkosten des Wochenpendelns würde auf jeden Fall das eigene Einkommen massiv geschmälert, weshalb diese Kosten vom AMS in Form einer Förderung einzufordern sind.

Die eher antiquiert anmutende Möglichkeit einer Vermittung von Arbeit mit Wochenendpendeln wird vom AMS vermehrt zur Einschüchterung von Erwerbsarbeitslosen angewandt. Mit Verweis auf die in der Verfassung garantierten Rechte (EMRK, StGG) können derart schikanöse Drohungen meist abgewendet werden.

So wehren Sie sich gegen die schikanöse Zuweisung von überregionalen Jobs unter ihrer Qualifikation

Auch wenn noch nicht sicher ist, ob die von uns angeführten Argumente bei den österreichischen Gerichten durchsetzbar sind, so gibt es viele kleine Möglichkeiten dem AMS die Lust an der menschenrechtswidrigen und in einer Demokratie nicht hinnehmbaren zwangsweisen überregionalen Stellenvermittlung zu nehmen.

  • Sie haben das Recht, beim Kontrollmeldetermin beim AMS im Rahmen des Beratungsgespräches Ihre Bedenken gegen die überregionale Stellenvermittlung und über mögliche rechtliche und finanzielle Folgen für das Unternehmen und das AMS hinzuweisen, ohne dass das AMS Ihnen "Vereitelung" vorwerfen darf! (VwGH 2005/08/0159 RS 1)

  • Achten Sie darauf, dass in ihren Betreuungsplan (vom AMS rechtswidrigerweise auch als "Betreuungsvereinbarung" bezeichnet) die überregionale Stellenvermittlung nicht als Ziel genannt wird. Sie haben das Recht, den Betreuungsplan abzulehnen und ein Recht darauf, dass das AMS die von Ihnen abgelehnten Punkte korrekt wieder gibt!

  • Schicken Sie alle schikanösen Zuweisungen durch das AMS an "Aktive Arbeitslose Österreich" damit rechtswidriges bzw. unprofessionelles Arbeiten von AMS Mitarbeitern dokumentiert ist und gegebenenfalls dies auch veröffentlicht werden kann! Natürlich können Sie derartige Zuweisungen auch selbst veröffentlichen! Nicht vergessen: Personennamen entfernen bzw. anonymisieren! Unbedenklich können aber die Namen von Bescheid ausstellenden Personen und von leitenden (verantwortlichen) Mitarbeiter*innen des AMS oder von Unternehmen veröffentlicht werden.
    Die überregionale Zwangsvermittlung ist ein menschenrechtlicher und demokratiepolitischer Skandal und muß daher vor allem auch politisch bekämpft werden, weil die sozialen Menschenrecht leider noch immer nicht in der Österreichischen Bundesverfassung verankert sind!

  • Machen Sie eine Dienstaufsichtsbeschwerde wegen Verletzung oben genannter Gesetze beim regionalen Geschäftsstellenleiter, der nach AMSG für Rechtsverletzungen durch seine Mitarbeiter verantwortlich ist oder gleich an die Landesgeschäftsstelle oder Bundesgeschäftsstelle des AMS! Sie können diese Beschwerde dann auch bei der Volksanwaltschaft einbringen, die vom im Gesetz festgeschriebenen Ziel verpflichtet wäre, auch menschenrechtliche Aspekte zu berücksichtigen!

  • Bei der Stellenbewerbung müssen Sie darauf acht geben, nichts zu tun, was das AMS als Vereitelung werten kann. Sie dürfen natürlich beim Vorstellungsgespr&aauml;ch die Frage der Fahrtkosten ansprechen und sich auch näher darüber erkundigen, welchen Ausgleich das Unternehmen Ihnen für die in Kauf zu nehmenden Einschränkungen Ihres eigenen Privatlebens bereit ist zu leisten. Sie können natürlich auch genau Informationen über die "bereitgestellte Unterkunft" erfragen, die ja auch entsprechend Artikel 8 EMRK Ihre Privatsphäre sicher stellen muß! Wenn das Unternehmen auf Ihre Forderungen nicht eingeht, müssen Sie aber sogleich erklären, jedes Angebot, das dem Kollektivvertrag entspricht, anzunehmen, um nicht als "arbeitsunwillig" gesperrt zu werden! So richtig kritisch hinterfragen dürfen Sie aber erst, wenn Sie eine Arbeit aufgenommen haben!
    VORSICHT FALLE: Es gibt gerade im Tourismus unseriöse Unternehmer, die sozialrassistisch eingestellt sind und Arbeitslose schnell der Arbeitsunwilligkeit verdächtigen. Schreiben Sie daher Bewerbungsgespräche usw. mit und machen Sie so rasch wie möglich daraus ein Gedächtnisprotokoll wenn auch nur irgend etwas seltsam war. Manche Unternehmer melden die abenteuerlichsten Sachen hinter Ihrem Rücken an das AMS!
  • Informieren Sie sich eingehend über den jeweils anzuwendenden Branchenkollektiv. Wenn Sie nicht sicher sind, welcher Kollektivvertrag anzuwenden ist, dürfen Sie das natürlich beim potentiellen Arbeitgeber sachlich erfragen. Die Regelungen der Kollektivverträge finden Sie auch auf folgenden Webseiten:
  • Wenn Sie bei einem Betrieb beschäftigt sind, sind Sie nur verpflichtet, Ihre Arbeitskraft nach ihren eigenen Möglichkeiten einzusetzen und nicht, konkrete von Außen vorgegebene Ziele unter allen Umständen zu erreichen. Wenn Sie etwas nicht schaffen, dann schaffen Sie es nicht!
  • Unter Zwang fern der eigenen Heimat womöglich weit unter der eigenen Qualifikation arbeiten zu müssen, stellt eine massive Form psychischer Gewalt dar und kann Ihre Gesundheit gefährden! Psychosomatische Krankheiten sind nicht zu unterschätzen, weshalb mensch rechtzeitig bei entsprechenden Symptomen einen Arzt des eigenen Vertrauens aufsuchen und in den Krankenstand gehen sollte! Auch psychische Verletzungen wären (wissenschaftlich gesehen) in strafrechtlicher Hinsicht als körperliche Gewalt zu werten! Siehe Joachim Bauer: "Schmerzgrenze: Vom Ursprung alltäglicher und globaler Gewalt"

  • Falls Sie sich nicht rechtzeitig wehren konnten und/oder nicht das Risiko einer Bezugssperre eingehen wollen, treten Sie das Arbeitsverhältnis an und dokumentieren Sie sich alles genauestens, alles was nach Verletzung von Arbeitnehmerschutz ausschaut. Dokumentieren Sie auch genauestens die Unterkunft. Eine Gruppenunterbringung mit fremden Personen wird keinesfalls zumutbar sein! Lassen Sie sich alles genau erklären und auch schriftlich geben! Sichern Sie sich rechtzeitig Beweismaterial und notieren Sie sich Namen und Kontaktdaten möglicher Zeugen wenn etwas seltsam war.

  • Argumentationshilfe bei AMS: Seriöse Unternehmen suchen nur motivierte MitarbeiterInnen, denn es macht wirtschaftlich keinen Sinn, erst in der Probezeit feststellen zu müssen, dank der Zwangszuweisung durch das AMS eine nicht geeignete und nicht motivierte MitarbeiterIn eingestellt zu haben, und sich dann erst recht bald wieder eine neue MitarbeiterIn suchen zu müssen! Und auch das AMS hat dann wieder die Arbeit mit neuen Stellenzuweisungen!
  • Weisen Sie das AMS darauf hin, dass es im Zuge einer Amtshaftungklage für anfallende Zusatzkosten nicht nachhaltiger Stellenvermittlung und für Gesundheitsschäden mit entsprechenden Schadensersatzforderungen zu rechnen hat und dass Sie auch disziplinäre Mittel einfordern werden!

Copyright: 2012 + 2019, Mag. Ing. Martin Mair

Quelle: Erste Hilfe Handbuch für Arbeitslose --> http://www.aktive-arbeitslose.at/erstehilfehandbuch/index.html

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