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AMS-Bezugssperren
Letzte Aktualisierung 13.9.2015
Übliche Vorgehensweise des AMS bei einer Bezugssperre
- "Vorläufige Bezugsseinstellung"
In der Regel wird der Bezug noch vor der endgültigen
Entscheidung, die das AMS nach einem behnördlichen
Ermittlungsverfahren mit Gewährung des Parteiengehörs fällen
darf, "vorläufig eingestellt". Der/Die Versicherte erhält
lediglich eine standardisierte schriftliche Mitteilung über die
Bezugeinstellung, die ihren äußeren Merkmalen nach keine
Bescheidqualität aufweist. Oft genug geschieht dies aber ohne
vorherige schriftliche oder mündliche Benachrichtigung von
Seiten des AMS ohne jede weitere Angabe des Grundes. Manchmal
erfährt man erst indirekt durch das Ausbleiben der monatlichen
Überweisung, dass der Bezug eingestellt worden ist. Diese Art
der Abwicklung ist unserer Meinung nach nicht rechtmäßig!
Tipp: Stellen Sie sicherheitshalber binnen
vier Wochen ab Zustellung der Mitteilung einen Antrag
auf Ausstellung eines Bescheides. Wenn das AMS nicht
binnen 4 Wochen einen Bescheid erstellt, dann muss es die
"vorläufige Bezugseinstellung" rückgängig machen und Ihnen den
Bezug auszahlen. Wenn das Verfahren abgeschlossen ist und die
Bezugssperre durch einen Bescheid fest geschrieben wird und Sie
dagegen nicht Beschwerde an das Verwaltungsgericht machen, dann
muß das AMS allerdings den Betrag der Bezugssperre von Ihnen
einfordern. Vorteil: Sie können eine Ratenvereinbarung
vereinbaren!
Siehe dazu: Bezugseinstellung
nach § 24 AlVG.
Kritik: Diese Vorgangsweise widerstreitet der von Verfassungs
wegen gebotenen faktischen Effizienz des Rechtsschutzes. Wie der
VfGH erstmals in VfSlg 11.196/1986 ausgesprochen hat, geht es im
Lichte des verfassungsrechtlichen Rechtsschutzsystems nicht an,
"den Rechtsschutzsuchenden generell einseitig mit allen Folgen
einer potenziell rechtswidrigen behördlichen Entscheidung
solange zu belasten, bis sein Rechtsschutzgesuch endgültig
erledigt ist." Der Verfassungsgerichtshof hat diese
Rechtsmeinung in den vergangenen Jahren wiederholt bekräftigt.
Dazu Univ. Prof. Dr. Walter Pfeil im Standardwerk
"Arbeitslosenversicherungsrecht" auf Seite 122/8: "Die immer
wieder anzutreffende Verwaltungspraxis, die Leitung auf Verdacht
hin einzustellen und auf eine Reaktion des Leistungswerbers zu
warten, stellt eine eklatante Verletzung des
Grundsatzes der Rechtsstaatlichkeit im Sinne des
Artikel 18 Bundes-Verfassungsgesetzes dar."
- Ermittlungsverfahren
Das AMS hat nun von sich aus ("amtswegig") alle maßgeblichen
Fakten zu ermitteln. Dem kommt das AMS naturgemäß eher schlampig
nach, weshalb wir empfehlen, selbst alle Umstände zu
dokumentieren, Gedächtnisprotokolle zu schreiben und auch
ZeugInnen bitten, selbst deren Wahrnehmungen aufzuschreiben.
Siehe auch: Ermittlungsverfahren
und Mitwirkungspflicht
- Parteiengehör
Das AMS muß Sie dann zu einen Termin laden und Ihnen das
Ergebnis des Ermittlungsverfahren bekannte geben und Gelegenheit
zum Parteiengehör geben.
Hier haben Sie nicht nur Gelegenheit, Stellung zu den Vorwürfen
abzugeben, sondern können auch volle Akteinsicht
verlangen und selbst Beweisanträge
stellen.
Siehe auch "Verwaltungsverfahren:
Parteiengehör"
VORSICHT FALLE: Oft erhalten Sie
lediglich ein formloses Schreiben, dass sich "offene Fragen" zu
Ihrem Bezug ergeben hätten, ohne dass das AMS Ihnen die
konkreten Vorwürfe bekannt gibt. Diese Schreiben entsprechen
nicht den Anforderungen, weil Sie ja so nicht die Möglichkeit
haben, sich auf den Termin beim AMS vorzubereiten.
Tipp: Werden Sie vom AMS mit Ihnen
nicht bekannten Vorwürfen überrumpelt, so beharren Sie auf
rechtzeitige Ladung zu einen neuen Termin auf den Sie sich auch
ausreichend vorbereiten können. Eine andere Möglichkeit wäre
sofort vom AMS per Einschreiben eine genaue Angabe des Grundes
des Bezugseinstellung zu verlangen, damit Sie sich auf das
Parteiengehör vorbereiten können!
Siehe auch:
Verwaltungsverfahren: Ladung, mündlichen Verhandlung,
Niederschrift Sie haben die Möglichkeit, eine rechtlich
versierte Person zu Ihrer Unterstützung mit zu nehmen! Machen
Sie davon Gebrauch, alleine daß sie es einer anderen Person wert
sind, Sie zu begleiten, wirkt mitunter kleine Wunder!
Siehe auch: "Verwaltungsverfahren:
Begleitung zur Behörde"
Das AMS muß nun eine vollständige und korrekte Niederschrift
über diesen Termin erstellen. Unterschreiben Sie nur, wenn Sie
den Inhalt verstehen und dieser korrekt ist! Sie können gegen
falsche oder fehlende Informationen in der Niederschrift aber
auch eine schriftliche Einwendung machen und
eine erneute Einvernahme darüber verlangen, sonst erlangt diese
Niederschrift Beweiskraft!
Siehe auch:
Verwaltungsverfahren: Ladung, mündlichen Verhandlung,
Niederschrift
- Anhörung des Regionalbeirates
Haben Sie beim Parteiengehör oder in anderer Form dem AMS
"Nachsichtsgründe" mitgeteilt, so muß das AMS nun den
Regionalbeirat diese zur Entscheidung vorlegen. Im
Regionalbeirat sitzen je eine VertreterIn von Arbeiterkammer,
Gewerkschaften, Wirtschaftskammer, Industriellenvereinigung
sowie der regionalen AMS-Geschäftsstelle.
Hinweis: Dies ist keine Kann-,
sondern eine Mussbestimmung! Das AMS muss bei
Vorliegen von Nachsichtsgründen (Informationen darüber bei den
Informationen zu den einzelnen Bezugssperren)
- die das AMS auch bei Erkennen von selbst ermitteln muss - den
Regionalbeirat befassen.
Tipp: Lassen Sie sich vom AMS eine Liste
der Mitglieder des Regionalbeirates geben. Manche
Landesgeschäftsstellen veröffentlichen die Mitglieder des
Regionalberates auf der AMS Homepage (Steiermark, Wien) bzw. im
als PDF-Dokument erhältlichen Geschäftsbericht (Salzburg).
kontaktieren Sie die VertreterInnen von AK und ÖGB, damit diese
auch ausreichend über Ihre Sichtweise informiert sind. Ansonsten
entscheiden diese VertreterInnen nur anhand der vom AMS
vorgelegten Akten!
Liste der RegionalbeirätInnen von Wien:
https://www.ams.at/_docs/900_regionalbeirat_ams_wien.pdf
- Erstellung des Bescheids
Die regionale Geschäftsstelle erstellt nun anhand der in den
vorherigen Schritten gewonnenen Unterlagen einen Bescheid.
Dieser muß Ihnen schriftlich zugestellt werden (siehe:
Verwaltungsverfahren: Zustellung).
Tipp: Solange die regionale
Geschäftsstelle noch keine Erledigung des Bescheides gemacht
hat, können Sie noch in Anbringen zum Parteiengehör
dem AMS - am besten als Einschreiben - weitere Informationen
mitteilen, die das AMS in seiner Entscheidung zur
berücksichtigen hat. Handeln Sierasch, damit diese noch vor der
Entscheidung über Ihre Berufung beim AMS einlangen!
Kommt das AMS binnen 6 Monate seiner Entscheidungspflicht nicht
nach, so können Sie eine Säumnisbeschwerde beim
Bundesverwaltungsgericht machen.
Gegen einen Bescheid über die Bezugssperre können Sie binnen 4
Wochen ab Zustellung
des Bescheides eine Beschwerde
an das Bundesverwaltungsgericht machen!
Bekommen Sie dort auch nicht Recht, können Sie sich an den Verwaltungsgerichtshof
und/oder den Verfassungsgerichtshof wenden!
Ihre mögliche Vorgehensweise im Kampf gegen Bezugssperren
- Existenz sichern:
Falls sinnvoll und noch möglich, Antrag auf Mindestsicherung
sofort stellen, denn erst ab Tag der Antragstellung können Sie
diese bekommen – es gibt nämlich keine rückwirkende Gewährung
mehr wie bei der Sozialhilfe! Mittlerweile wurde allerdings in
den meisten Bundesländern das Mindestsicherungsgesetz geändert,
sodass bei AMS-Bezugssperren diese nicht mehr durch die
Mindestsicherung teilweise ausgeglichen werden können! Es
reicht, das Antragsformular mit den nötigsten Daten auszufüllen.
Detaillierte Daten und Belege können später nachgereicht werden,
wenn absehbar ist, dass die Sperre nicht so schnell aufgehoben
wird.
VORSICHT FALLE: Die
Mindestsicherung bedeutet auch massive Datenerhebungen, u.A.
erfährt die Behörde beim zentralen Melderegister alle im
Haushalt gemeldeten Personen. Die Mindestsicherung bezieht
sich auf den gesamten Haushalt, es wird also das Einkommen
aller Ihnen „angerechnet“ bzw. müssen sich alle im
Erwerbsalter grundsätzlich Ihre Arbeitskraft am Arbeitsmarkt
einsetzen.
In den meisten Bundesländern wurde leider diese Möglichkeit
schon per Gesetzesänderung ausgeschlossen!
- Beweise sichern:
Falls nicht schon längst geschehen – Gedächtnisprotokolle über
die Bezugseinstellung auslösende Ereignisse niederschreiben!
Akteinsicht nehmen und Kopien anfertigen lassen. Auch über
elektronisch gespeicherte Daten muss das AMS Auskunft geben!
Ihnen nicht zuvor zur Stellungnahme (Parteiengehör) bekannt
gegebene Informationen darf das AMS nicht zur Begründung einer
Sperre/Bezugseinstellung verwenden, denn dadurch wird der
Bescheid rechtswidrig!
Eventuell Antrag auf Datenauskunft nach Datenschutzgesetz an die
Landesgeschäftsstelle schicken (siehe: "AMS
und Datenschutz"). Das AMS hat so rasch wie möglich
Auskunft zu geben und darf sich längstens 8 Wochen Zeit lassen.
- Rechtlichen Rat einholen
Falls vorhanden: Rechtsschutzversicherung informieren und wenn
nötig Rat bei dieser oder bei anderen Beratungsstellen einholen
(fallweise hilft schon ein Brief vom Anwalt eine Sperre
abzuwenden).
Bevor Sie sich an eine Beratungsstelle wenden ordnen Sie alle
Ihre Unterlagen (machen Sie anonymisierte Kopien für die
Beratungsstelle!) und schreiben Sie eine Übersicht des
Zeitablaufs, damit Sie eine möglichst rasche und gute Auskunft
bekommen!
Wenn Sie mit E-Mail anfragen verwenden Sie aussagekräftige
Wörter in der Betreffzeile ("Subject") der E-Mail, Sie
erleichtern so das auffinden Ihrer Mail!
Information zur Rechtsinformation der Aktiven Arbeitslosen
Österreich:
https://www.aktive-arbeitslose.at/rechtsberatung_hinweise.html
- AMS aufklären
Passende Rechtsbelehrung an den/die Betreuerin eingeschrieben
schicken sowie an den Geschäftsstellenleiter. Das kann
entfallen, wenn keine gröberen Probleme zu erwarten sind. So
eine Information dient der Klarstellung, dass Sie sich nicht
alles gefallen lassen. Oft ist es so, dass die BeraterInnen beim
AMS überfordert sind und sich mit rechtlichen Details gar nicht
auskennen! Falls Zeugen zu Ihren Gunsten aussagen können,
verlangen Sie deren förmliche Einvernahmen durch das AMS!
(Musterbriefe z.B. auf https://www.arbeitslosennetz.org).
Versuchen Sie das Problem zu bereinigen, bevor ein Bescheid
gemacht wird! Ist erst ein Bescheid erlassen, ist es oft
deutlich schwieriger diesen wieder durch eine Beschwerde
an das Bundesverwaltungsgericht zu beseitigen.
- Parteiengehör gut vorbereitet nutzen (ganz
wichtig!)
Gut vorbereitet zum AMS-Termin gehen. Wenn möglich mit einer Vertrauensperson
(siehe: Verwaltungsverfahren:
Begleitung auf die Behörde). Diese muss in keinem
Naheverhältnis zu Ihnen stehen und sollte für den
Identitätsnachweis einen gültigen Lichtbildausweis mitnehmen.
Alleine, dass Sie es anderen Menschen wert sind, mitzukommen,
wirkt beim AMS oft Wunder und entspannt die Situation. Stets
höflich und auf der Sachebene bleiben. Alles genau mitschreiben!
Beweise am besten in Kopie mitnehmen. Niederschrift
genau durchlesen und eine Kopie verlangen! Bestehen Sie darauf,
volle Akteinsicht zu
erhalten!
- Regionalbeirat informieren
Erkundigen Sie sich, wann der Regionalbeirat tagt und wer die
Mitglieder in diesem Gremium sind (siehe oben). Nach
Auskunftspflichtgesetz hat jede Behörde bzw. jede körperschaft
öffentlichen Rechts wie das AMS über ihre Tätigkeit Auskunft zu
geben!
Das AMS hat den Regionalbeirat vor Verhängung der Bezugssperre
anzuhören, wenn Sie berücksichtigungswürdige Gründe
bekannt geben. Allerdings fallen nur Gründe darunter, derzufolge
die Bezugssperre aufgrund besonderer Umstände Sie härter trifft
als andere. Erstaunlicherweise meint der VwGH, dass die Sorge
für Kinder kein Grund sei, weil alle Menschen mit Kindern genaus
betroffen seien (womit es streng genommen gar keinen besonderen
Grund mehr gäbe ...). Wenn Sie Gründe angeben, muß jedenfalls
der Regionalbeirat damit befasst werden, ansonsten nur
amtswegig, wenn dem AMS aufgrund der Aktenlage
berücksichtigungswürdige Gründe bekannt sind. [Wetere
Informationen folgen noch in einem eigenen Artikel/Buchkapitel]
Kontaktieren Sie die VertreterInnen von AK und ÖGB um diese über
Ihren Fall zu informieren, damit diese sich auch wirklich für
Sie einsetzen können. Können Sie z.B. die Ablehnung einer
AMS-Maßnahme auch wirtschaftlich argumentieren, versuchen Sie es
auch mit den Vertretern von Wirtschaftskammer und
Industriellenvereinigung.
- Allfällige weitere Schritte:
- wenn die „Niederschrift“ nicht korrekt war, eine Dienstaufsichtsbeschwerde
machen. Eventuell auch Beschwerde an die Volksanwaltschaft.
- Aufgrund der bei der „mündlichen Verhandlung“ gewonnenen
Informationen weitere Beweise
sichern.
- wahrnehmungsbericht an den Rechnungshof
über Verschwendung bzw. Missbrauch von Versicherungsgeldern
und Steuergeldern.
- Falls EU-Förderungen (ESF) im Spiel:
Beschwerde an den Europäischen Rechnungshof
TIPP: Gut ist es auch, eine
Dokumentation an Arbeitsloseninitiativen für deren politische
Arbeit und Öffentlichkeitsarbeit zu schicken. Wenden Sie sich auch
selbst mit kurzen, sachlichen Darstellungen an die Medien und
deren Ombudsleute (ORF Bürgeranwalt, ...). Nichts scheut das AMS
so sehr als dass Informationen über die Missstände an die
Öffentlichkeit geraten.
Weitere Informationen:
Externe Informationen:
Medienberichte, Studien etc.
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